Business-Coach Jens Jannasch im Interview, Teil I

„Who is my Self? What is my Work?“…

 

Wer privat oder beruflich in einer Sackgasse steckt, oder einfach einmal eine neue Sichtweise auf Dinge des täglichen Lebens benötigt, geht entweder zur besten Freundin, zum Kumpel aus der Schulzeit oder aber holt sich professionelle Hilfe, zum Beispiel durch ein gezieltes systemisches Business-Coaching. Jens Jannasch, zertifizierter Business-Coach, 38 Jahre alt und Vater einer dreijährigen Tochter, lebt gemeinsam mit seiner Freundin in Berlin, wo ich mich mit ihm zum Interview traf. Wir sprachen unter anderem über seine eigene bewegte Jobgeschichte, über berufsbegleitende Weiterbildungen, über den Ablauf eines Coachings und was man als Coachee zu ersten Stunde eigentlich mitbringen sollte. Zudem wollte ich mehr über seine Bewegründe als Business-Coach zu arbeiten, erfahren.

 

Jeannine: Jens, du bist zertifizierter systemischer Business-Coach, das ist jedoch eigentlich „nur“ eine Zusatzausbildung zu deinem eigentlichen Beruf als Job Coach beim Integrationsmanagement einer WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen). Was genau machst du als Job Coach und inwiefern hilft dir hierbei deine Weiterbildung zum Business-Coach?

 

Jens: Die Berufsbezeichnung „Job Coach“ gibt es eigentlich gar nicht, es existiert bisher auch keine richtige Ausbildung hierfür- außer für ein bestimmtes Integrationsprojekt. Im Jahr 2008 wurde in meinem Unternehmen diese Abteilung gegründet, um die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt nachhaltig voranzutreiben. Ziel ist es hierbei, eine Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen. Dies gelingt uns immer stärker, wir sind aktuell Marktführer in diesem Bereich, die Erfolge werden durch Nachhaltigkeit der bestehenden Arbeitsverhältnisse bemessen.

 

Jeannine: Was genau versteht man unter dem Begriff „systemisches Coaching“?

 

Jens: Systemisches Coaching legt darauf Wert keine Vorgaben zu erteilen, sondern durch Fragen eigene Erkenntnisse im Coachee auszulösen. Das heißt, ich als Coach schaue neutral von außen auf das System des Coachees und begleite ihn auf dem Weg zu eigenen Entscheidungen. Es ist ein sogenannter Lösungs- und Ressourcenorientierter Ansatz. Systemisches Coaching ist auf Luhmanns Systemtheorie bzw. der Ansätze der Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer und Insoo Kim Berg begründet. Auf das Business-Coaching übersetzt bedeutet das:

  • Nur der Coachee ist Experte in seinem eigenen Umfeld

  • Die Wahrheit liegt beim Coachee

Der Coach darf nicht werten, er darf maximal motivieren. Fragen müssen formuliert werden, um lediglich sicher zu stellen, dass der Coach die Aussage richtig verstanden hat. Jede Art von Wertung bzw. „Vorgabe des Coaches“ kann sofort einen „Clash“ von Wertvorstellungen und Klischees zwischen Coach und Coachee bedeuten und dies ist im systemischen Coaching nicht gewollt. Es ist auch der Sprachgebrauch des Coachees zu verwenden. Eine Umformulierung in die Sprache des Coaches kann Schwierigkeiten mit sich bringen. So etwas bärge die Gefahr, dass der Coachee in der Interpretation des Coaches etwas anderes verstünde oder sich mißverstanden fühlte. Der Coachee soll Experte beim Lösen des Problems sein, der Coach ist der Experte auf dem Weg dorthin.

 

Jeannine: Du sprichst auf deiner Website auch davon, dass man dadurch einen Perspektivwechsel erlangt, war das bei dir während der Ausbildung auch der Fall?

 

Jens: Ja, die Weiterbildung war ein riesiger Perspektivwechsel für mich. Während der Ausbildung erhält man eine Auswahl an Tools als Handwerkszeug, wie man ein Coaching durchführen kann. Jedes Tool ist anders und stellt eine unterschiedliche Herangehensweise in den Vordergrund. Innerhalb der Ausbildung muss man für jedes Tool eine eigene Frage mitbringen. In meiner Ausbildung waren es ca. 25 Tools die sehr intensiv behandelt wurden, also 25 Fragen, die teilweise auch recht stark ans Eingemachte gehen. Es gibt aber bücherweise Coachingtools und somit sehr viel Potential die Perspektiven und Sichtweisen zu wechseln.

 

Jeannine: Welche Menschen kommen zu dir?

 

Jens: Aktuell ist es ein spannender Querschnitt aus Anwälten, Menschen aus der IT – und Kreativszene, Studierende, aber auch aus großen Unternehmen. Ursprünglich lag mein Fokus auf dem pädagogischen/ sozialen Bereich, NPOs (Non Profit Organisationen) und Studenten. Diese Zielgruppe fühlt sich auch von mir angesprochen, aber eben nicht nur – was auch für mich schön und spannendend ist. Schon in der Ausbildung wurde uns gesagt: Der Coachee findet meist seinen Coach. Nicht umgekehrt“.

 

Jeannine: Wie ist es mit Coaching von guten Freunden, Bekannten und Verwandten? Kann man Leute, die man gut kennt neutral coachen?

 

Jens: Ja, das geht, aber man muss es komplett trennen! Der am Vormittag besprochene Coachinginhalt darf abends an der Bar dann kein Thema mehr sein. Wenn es Themen sind, die einen selbst betreffen oder beschäftigen, können manchmal unangenehme Situationen entstehen, dann sollte man gucken, ob es sinnvoll ist, das Coaching weiterzuführen oder es besser abzubrechen.

 

Jeannine: Muss man sich als Coach selbst einem Coaching unterziehen?

 

Jens: Als professioneller Coach sollte man selbst zu Supervision gehen. Dies dient dazu, den eigenen Standpunkt zu orten oder auch sich und seine Arbeit zu reflektieren. Es gibt Themen im Coaching, die sind sehr kräftezehrend, sowohl für den Coachee als auch für den Coach.

Zudem ist man in der Ausbildung zu jedem Tool gleichzeitig auch Coachee, um zu erleben, wie die Tools wirken. Hierzu muss man je eine eigene und reelle Fragestellung erarbeiten. Aufgrund des umfangreichen Toolkoffers, den man während der Ausbildung erlernt, erarbeitet man sehr viel über sich selbst.

 

Jeannine: Du bist seit 5 Jahren Job Coach im Integrationsmanagement – das bringt dir diese Weiterbildung hinsichtlich deines Jobs?

Jens: Ich bin nun in der Lage unsere Mitarbeiter, im Bezug auf Berufswünsche und Berufsorientierung direkt und wertfrei zu coachen. Zudem lässt es sich im Kontakt mit anderen Unternehmen sehr gut anwenden, zum Beispiel bei Verhandlungs- und Akquisegesprächen und im Kontakt mit den jeweiligen Personalabteilungen. Auch die Qualität der eigentlichen Job Coachings, die wir durchführen, lässt sich dadurch spürbar verbessern.

 

Jeannine: Gibt es einen Leitgedanken, nach dem du deine Arbeit als Business-Coach aufbaust?

 

Jens: Einen einzigen Leitgedanken gibt es nicht. Die Gedanken, die mich nach wie vor in meiner Arbeit beeinflussen kommen von Otto Scharmer, er fragt „Who is my Self? What is my Work?“ und genau diese Fragestellungen stehen meist auch in meinen Coachings im Mittelpunkt.

Daneben fasst ebenfalls das Zitat von Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ ganz gut die Arbeit eines Coaches zusammen. Wobei es natürlich wichtig ist, die Ist-Situation zu sehen, um die Zukunft daraufhin einzustellen. Und wenn ein bekannter Weg ständig falsch oder in der Sackgasse endet, muss man eben die andere Abzweigung nehmen.

 

Jeannine: In Berlin gibt es sicherlich mehr als einen Business-Coach: Was hebt dich von den anderen ab?

 

Jens: Aufgrund meiner 10-jährigen Erfahrung in der Industrie und nun 10-jährigen Arbeit im sozialen Bereich, vor allem auch als Job Coach, konnte ich Einblicke in Strukturen und Berufsfelder sehr unterschiedlicher Natur erlangen. Dies ermöglicht es mir, mich vielfältig in verschiedene Arbeitsprozesse hineinzudenken. Gerade Coachees, die sich in einem beruflichen Veränderungsprozess befinden, kann ich durch dieses profunde und verschiedenartige Hintergrundwissen eine Hilfestellung sein. Nicht in Form einer Beratung natürlich, denn dies wäre kein Coaching, sondern durch die Klaviatur und Art und Weisen der Fragestellungen, die mir als Business-Coach gegeben sind. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal meiner Arbeitsweise ist meine ausgeprägte Empathie. Wie bereits erwähnt, ist das etwas, was man nur schwer, oder eben gar nicht erlernen kann. Innerhalb eines Settings ist zwar das gesprochene Wort und dessen Hermeneutik sehr wichtig, aber aussagekräftiger als dies, kann mitunter das nicht Gesagte sein. Die Körperhaltung und die Reaktionen der Person auf gewisse Inhalte, kann mir als Coach zum Teil viel mehr Hinweise auf kommende Fragestellungen geben.

 

Jeannine: Wie und wo können potentielle Coachees auf dich aufmerksam werden?

 

Jens: Ich habe eine Website, auf der ich regelmäßig Blog-Beiträge zu meinem Thema veröffentliche. Ich bin auf Twitter und Facebook unterwegs, habe ein Profil bei LinkedIn und bin eigentlich auch überall angemeldet, wo es wichtig ist, zum Beispiel bei karriereexperten.com und bei diversen Datenbanken. Zudem schreibe ich Gastbeiträge und gebe Interviews, so wie dieses hier.

 

Jeannine: Danke Jens, für das interessante Gespräch und die Darlegung deiner Beweggründe als Business-Coach zu arbeiten. Im Zweiten Teil dieses Interviews geht es um die Vorgehensweisen innerhalb eines Coachings und darum, was man als Coachee selbst zur Vorbereitung mitbringen sollte.

 

Über Jens Jannasch

Jens Jannasch ist von der Freien Universität Berlin zertifizierter systemischer Business Coach. Er ist freiberuflich Business- und Personal Coach und seit 5 Jahren Job Coach. In den vergangenen 10 Jahren konnte er im sozialen Bereich als Gruppenleiter und Dozent viele Erfahrungen sammeln. Ursprünglich kommt Jens Jannasch aus der Kunststoffindustrie, wo er im Entwicklungsteam und in der Mitarbeiterfortbildung tätig war. Seine Klienten kommen meist aus dem Non-Profit-, Pädagogischen- und Sozialen Bereich. Er hat ein Lehramtsstudium nach 5 Semestern abgebrochen.